Bildexperimente im Dunklen
Ich erinnere mich noch recht gut, es muss so Mitte/Ende der 1990er gewesen sein. Ich stieß mit meiner Kompaktkamera langsam an die Grenzen und hatte mich deshalb zum Kauf einer Spiegelreflex entschlossen – eine Nikon F70 mit 28-80 mm Kitobjektiv. Stück für Stück tastete ich mich in die noch ungewohnte Fotowelt vor und hatte zugleich das Glück im Vater meiner damaligen Freundin einen geduldigen Mentor gefunden zu haben. Er hatte mir geraten, in ein Einbeinstativ zu investieren und mich mal in Nachtaufnahmen zu versuchen. Ich kann mich noch ziemlich gut an seine Ausführungen zur blauen Stunde erinnern, meine ersten abendlichen Fototouren und die daraus resultierende Faszination für das Medium Diafilm – wegen des großen Kontrastumfangs.
Und ich hielt mich zu dieser Zeit immer sorgfältig an die Anweisung, sogenannte Nachtaufnahmen nur zur blauen Stunde anzufertigen. Die drei, vier bewussten Ausnahmen zeigten mir recht schnell den Grund: Nacht sieht einfach nur wie schwarzer Murks aus, wenn das Licht schwarzer Murks ist. Selbst auf Dia, von Abzügen brauchen wir gar nicht reden…
Zeitsprung!
Herbst 2025.
Ich bin unterwegs in Travemünde, ein paar Tage mit dem Caddy, zum Camper umgebaut, mit mir selbst am Meer verbringen. Mit dabei: eine analoge Kompaktkamera (nicht die von damals) und mein Mobiltelefon.
Was ich hätte ahnen können, was mir aber in dieser Intensität nicht bewusst war: an der Ostsee wird es im Herbst sehr früh Nachmittags sehr dunkel. Dunkel im Sinne von richtig dunkel. Also Schwarz.
Ich erinnerte mich meines damaligen Mentors und der blauen Stunde: keine Chance für Fotos. Aber hey, das ist 30 Jahre her, mein kleines Telefönchen macht brauchbare Bildchen und da ist doch mit MPro mein aktuelles Lieblins-Reise-Schwarzweiß-Applikatiönchen. So ein Programm, mit dem man verschiedene Filme und Farbfilter simulieren kann.
Da war der Gedanke nicht fern: wenn schon Schwarz, dann richtig Schwarz. Schwarzweiß. Also in MPro einen Film mit scharfem Kontrast gewählt, eine IR-Simulation kann auch nicht schaden, „Korn“ wird es bei ISO 2000 auf dem Telefonchip genug geben und ab zum nächtlichen Promenadenlustwandel.
Gibt, wie ich finde, schlechtere Voraussetzungen. Wer mag, kann ja schreiben, ob das Experiment „Schwarzweiß – aber richtig“ gelungen ist.





