Die Kamera, die mich überraschte

Ich stand damals während meines Studiums auf Objektive der Firma Sigma. Originalobjektive von Nikon konnte ich nicht bezahlen, Tamrons erschienen mir ein bisschen joghurtbecherartig (obschon ich heute ein solches, damals revolutionäres Superzoom besitze), Tokina, hatte schöne Sachen, aber die Sigmas hatten zum bezahlbaren Preis einen Makro-Schalter. Genau das, was ich für eine botanische Exkursion brauchte: klein, leicht, blümchentauglich.

Ich hatte ein 28-80 mm und ein 70-300 beide mit Blende so um die 4 bis 5,6, aber in der längsten Brennweite jeweils einen Abbildungsmaßstab von 1:2. Perfekt! Aber leider nicht mehr bei mir …

Es begab sich vor nicht all zu langer Zeit, da ich das kleinere der beiden Objektive in einem Online-Auktionshaus wiederfand, zwar, wie sich später herausstellte, mit Plastikbajonett, aber ok. (Das Thema Plastik, Gefühl und Kamerabau kommt sicher noch …)

Jedenfalls – das Objektiv wurde mit einer F55 verkauft. Baujahr 2002. Aus einer Zeit also, in der ich längst bei Pentax gelandet war, aber na gut, der Preis lag nur knapp über dem berühmten Apfel samt Ei. Aber emotionalen Bezug zu der Kamera? Null!

Aber lass mal kommen, das Objektiv war es mir wert. Und ja, das Ding ist immer noch saupraktisch, und für das gelegentliche Blümchen am Wegesrand eine Wucht, wenngleich mit Plastikbajonett. Dafür wiegt das Teil aber ja auch kaum was.

Plastik! Sie sagten Plastik? Genau. Die F 55 ist die Mutter aller Joghurtbecher, auf den ersten Blick. Superleicht, Plastikbajonett, dreieinhalb Tafeln Schokolade leicht und intuitiv zu bedienen. Nikon schien zu der Zeit also weg von der Experimenten der F50 und F70 und den Tasten der dreistelligen Amateurkameras. Programmwahlrad, fertig!

Gekauft habe ich das Teil als „ungetestet“. Also zweimal CR2 rein, einschalten und überrascht sein. Der Autofokus ist fixer als gedacht, bietet drei Messfelder, die ich auswählen kann, Knopf und Rad dafür liegen mir praktisch in der Hand, daneben die Belichtungskorrektur, Auslöser, Selbstauslöser … das Programm für die rechte Hand.

Links liegen auf einem Drehrad die üblichen Automatiken. Nett, aber nichts besonderes, Taste für den Blitz, Umschalter von AF auf MF und huch, was ist das? Eine Taste für Belichtungsreihen? Die kam in der Liga eher unerwartet. Dafür gibt es keine Abblendtaste, das wäre ja zu schön gewesen.

Überhaupt hat mich gewundert, dass man die Blende zwinged an der Kamera einstellen muss, den klassischen Nikon-Blendenring lässt man auf Auto oder 22 stehen. Gewöhungssache. Positiv fiel mir für ein Kunstwerk aus Bombastoplasto allerdings der Spiegelschlag auf. Der klingt hochwertig.

Natürlich gibt es bei dem Ding ein paar Einschränkungen. Die Technik ist hier sauber aufgezählt. Aber mal ganz ehrlich: Die Zielgruppe dieser Kamera waren Menschen, die eine kleine leichte Kamera haben, nicht viel Technik, Klimbim und Gewicht mit sich schleifen, aber trotzdem ansehnliche Fotos machen wollten. Und vermutlich macht genau das die F55. Ich werde sie demnächst mal mitnehmen zum Testen. Aber eins schmerzt: Eine Nikon mit Kunststoffbajonett! Bitte! Es gibt nun mal Gründe, dass ich nie eine Canon EOS 500 hatte.

Übrigens: In dem Paket lag noch was drin: Ein hübscher Belichtungsmesser aus DDR-Fertigung; sogar mit Original-Plasteschachtel. Jetzt brauch ich wohl ne Praktica 😉

Ob dieser Weimar-Lux nova jemals mit einer Nikon F55 benutzt wurde?